GuMo on Vacation
- Julle
- 29. Aug. 2021
- 6 Min. Lesezeit
GuMo aus Chania,
wir haben gelernt Zitat: man spricht das „CH stimmhaft wie bei ‚auch‘ und den Rest wie Anja“. Ich empfinde das als wichtige Information. Alternativen wären Tschänia, Tschania oder, wie wir sicher sind, dass es die Einheimischen eigentlich machen: Tschäneia. Ich hoffe sehr, dass das soweit verständlich war.
Zunächst möchte ich eine wissenschaftliche Arbeit vorstellen, die mir sehr am Herzen liegt.
Wir haben nämlich erörtert und formuliert, was ein gutes Tier ausmacht und sind zu dem Schluss gekommen, dass ein solches so definiert werden kann, wenn es mindestens 3 der folgenden 4 Kriterien erfüllt:
Eine süße Schnauze (dazu zählen auch Rüssel zum Beispiel)
liebe Augen
ein vernünftiges Fell
und sie müssen größer sein, als der eigene Mund beim Formen des Wörtchens „Hallo“
Demnach ist beispielsweise ein Pudel ein super Tier und auch ein Fisch (man rechnet ihnen die lieben Augen an, obwohl sie immer so glotzen), eine Mücke allerdings unter aller Sau (wortwörtlich lol) und wenn sich nicht mal in diesem Punkt alle Nationen einig sind, dann weiß ich auch nicht wo das hier noch hinführen soll.
Die Ziegen in der Bucht, die wir auf Kreta besucht haben, zählen demnach auch zu den guten Tieren, allerdings erhalten diese ihre Punktzahl eher dafür, dass sie sich nicht, wie es anderen Badegästen widerfahren ist, an unserem Essen vergriffen haben (nur fast), nicht auf unseren Schirm geplumpst sind (nur fast) und auch nach einem epischen Furz nicht auf unsere Handtücher gekackt haben (wie gesagt: nur fast).
Heute ist Donnerstag, so viel weiß ich, doch beim Datum muss ich leider passen. Meine Füße liegen auf dem Stuhl gegenüber von mir, Rosa meldet Helli gerade von zich tausend E-Mail-Verteilern ab, in der Dusche liegt eine Spülung, die nicht von uns ist, aber gut nach Honig riecht, auf dem Gartenzaun trocknen unsere Bikinis, irgendwo bellt ein Hund, wahrscheinlich ist noch Wasser in meinem Ohr und bis eben habe ich gedankenverloren an einem Mückenstich gekratzt.
Meine Postkarten wollt ich eigentlich schon längst geschrieben haben, aber was gibt es besseres als die Dinger auf den allerletzten Drücker in den Briefkasten zu schmeißen und den Empfängern zu Hause zu verkünden, dass du etwas geschrieben hast, es jetzt auch nicht so weltbewegend ist und du auch nicht sagen kannst wann es ankommt.
Falls ihr auch zu der Fraktion gehört, die die gelegentliche Postkarte auch mal nachträglich in der Heimat den Leuten in den Briefkasten gestopft hat und lediglich durch das Fehlen eines Poststempels enttarnt worden ist, dann fühlt ihr sicherlich mit mir.
Was auch immer gleich darüber hinaus an Erzählung folgt, behaltet im Hinterkopf, dass es in diesem Urlaub eigentlich nur einen Protagonisten gibt und das sind Tomate-Oregano-Brotchips. True queens zweifelsohne.
Den Großteil der letzten Woche haben wir in Falssarna am Strand verbracht, wo
das Meer so sauber war, als hätte jemand seinen Beach Club Pool aus Jux mit Sand ausgeschüttet. (Derselbe Sand, den wir danach in unseren Bikini-Hosen mit aufs Zimmer schleppen würden).
Demnach war natürlich die erste Anschaffung im Minimarkt eine dieser schicken Taucherbrillen mit denen man vereinzelt die Fischschärme bewundern kann (das funktioniert besonders gut, weil man selbst wie einer von ihnen aussieht und deswegen in der Gruppe akzeptiert wird) und außerdem kein Wasser in die Nase bekommt, wenn man beispielsweise einen Rollen-Rekord ausstellen möchte. (Das kommt öfter vor als man jetzt vielleicht glauben mag).

Danach gab es wenig Dinge, die mit größerer Dringlichkeit erledigt werden mussten, außer vielleicht ein Seeigel Skelett vom Meeresboden hochzuholen und es leider beim Wellentauchen danach direkt wieder mit den Fingern zu zerdrücken, Rosa zu bewundern, wie sie die Namen aller möglichen Schauspieler von Young Royals kennt (Spoiler: am Ende der 10 Tage würden Helli und ich das auch), dem Sonnenuntergang mit sandigen Fersen entgegen zu winken und uns hauptsächlich mit folgenden essentiellen Fragen zu beschäftigen:
Wie werde ich an diesem Abend wohl am besten das Hemd für die Taverne stylen? (offen? zugeknöpft? mit modischen Knoten?; die Möglichkeiten sind endlos)
Wie viele Runden von Raki-Shots wir wohl bekommen? (Raki ist auf Kreta, was Ouzo auf dem griechischen Festland ist und meistens gibt es abends nach Bestellen der Rechnung eine kleine Flasche geschenkt)
Ob ich jetzt besser meine Körpervorder- oder -rückseite in die Mittagssonne strecke?
oder in welcher Erscheinungsform wird der Feta-Käse heute den Weg in unsere Mägen finden ?
Hier eine Hemdsammlung um das Ganze ein wenig zu illustrieren (man will es nicht für möglich halten, aber die Bilder sind tatsächlich von mehreren Tagen):

Für die zweite Hälfte sind wir von Falassarna nach Chania gefahren und wie wir da so mit dem Linienbus durch kretische Dörfer tuckerten wurde ich unweigerlich daran erinnert wie unangenehm es ist, wenn viele Menschen einem so nah kommen, dass sich plötzlich andere Haare als nur meine eigenen unter meinen Achseln befinden, beziehungsweise fremde, von den Außentemperaturen aufgeheizte Gürtelschnallen die Haut an meinem Knie verglühen (auch logistisch eine Meisterleistung, keine Frage).
Aber an der Stelle will ich vorsichtig sein, weil eigentlich ist nichts ehrenloser, als Touris, die sich über andere Touris aufregen, es sei denn, du lässt die oben erwähnte kleine Pulle mit Raki nach dem Abendessen unangerührt in der Tischmitte stehen, dann bist du leider scheiße.
Um das mit dem Raki noch etwas auszuführen:
Anfangs noch ehrlich überrascht darüber in den Tavernen Dessert und Schnaps auf‘s Haus zu bekommen, sind wir später auch unangekündigt nach dem Bezahlen noch am Tisch sitzen geblieben - letztendlich mit gespieltem Erstaunen über das kleine Goodie.
Das Problem ist, dass man geschmacklich (wie Tequila nur noch ein bisschen ekliger) echt noch lange was von diesem Shot hat, deswegen hier mal eine kleine Aufzählung mit was man den Alkohol gut und weniger gut neutralisieren kann:
Brot: super, saugt es recht zuverlässig auf
Wasser: schlimm, spült den Kram eigentlich nur noch mehr durch deinen Mund
Melone: nicht viel besser als Wasser leider
kleine Törtchen: geilo
Eis: 10/10 ist das beste, weil macht noch schön kalt
mehr Raki: nun ja, was soll ich sagen, Minus und Minus macht Plus, nicht wahr?
Sicherlich kann ich für uns drei sprechen, wenn ich sage, dass wir uns hier sehr wohl fühlen durften, weil die Schildkröte im Hafen wirklich goldig ihre Schnauze aus dem Wasser gestreckt hat, wir ingesamt nur einen Bus verpasst haben (kann’s selbst kaum fassen), es mit den Bikini-Streifen ganz gut voran geht, die Mittagshitze beim Brunch im Vorgarten tatsächlich gut auszuhalten ist, wir den Steinweg runter zum Saitan Limania Beach mit Birkenstock überlebt haben, der Nachbarshund uns mittlerweile nur noch manchmal ankläfft, wenn wir kommen, man sich lediglich darum kümmern muss bis 17 Uhr Sonnencreme und danach Autan aufzutragen, weil George aus dem süßen Geschäft für Töpferware so großzügig sein Bier geteilt hat und nicht zuletzt, weil nun diese Bilder von Rosas Füßen existieren.


Samstag findet der ganze Spaß leider auch schon sein Ende und das einzige was spannend bleibt ist welche Art von Bus (Linie-, Reise-, Mini-??? so exciting) uns wohl zum Flughafen bringen wird.
Apropos Bus:
Bereits sehr früh und zurecht meinte Helli, dass sich bis jetzt niemand jemals auf den mittleren Sitz der hinteren Reihe gesetzt hat ohne verbal zu bemerken, dass es sich hierbei um den gefährlichsten Platz im ganzen Bus handelt. Also wird sich nicht ohne stoische Mine hier niedergelassen, da auch der Alltagsmensch sich hier und da dann mal draufgängerisch fühlen darf (auch wenn das bedeutet zurück an einen Ort zu fahren, an dem es im August 20 Grad und Dauerregen sind, somit meine Sammlung an Pullis doch nicht rein modischer Natur ist und der einzige Sand mit dem Präfix ,Heide-' kommt).
Doch so ist das Leben: manchmal befindet man sich in paradiesisch blauem Wasser, mal vier Stunden wegen Umsteigezeit am Flughafen auf Malta und eben auch gelegentlich in der Windschutzscheibe, je nach dem wie stark der Busfahrer bremst.
Oder kurz: Das Leben tanzt Sirtaki. (Geiler Song auf Empfehlung von Helli)
https://open.spotify.com/track/6yVboQ09f463rC581HkLOB?si=7596dd948f9947ff
Betet für mich mit, dass mein Urlaubs-Selbst nicht überhand gewinnt, wenn auf dem Rückflug wieder Rubbellose verkauft werden.
Love goes out!
PS:
Tatsächlich sind die Postkarten jetzt geschrieben und der Stift ist dabei nur wenig verschmiert. Gerne hätte ich gerade die Briefmarke hinten abgeleckt, allerdings ist sie selbstklebend, meine Zunge ein wenig eklig von Chips und der Verlust jetzt vielleicht auch einfach nicht so groß.
PPS: Wer auch immer die Viecher, die hier in den Bäumen sitzen Singzikaden genannt hat, romantisiert wahrscheinlich auch alles andere im Leben um ein Vielfaches, was die fabrizieren sind ist keine Lieder sondern qualvolle Schreie von 120 dB, wie ich mit drei Jahren bei der Zahnärztin. Hier ein Ausblick auf die Dinger, falls sich jemand das Abendessen versauen möchte.
https://www.srf.ch/news/panorama/alle-17-jahre-wieder-wenn-milliarden-zikaden-ans-tageslicht-kriechen
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