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GuMo - eine Postkarte aus Adult City

  • Autorenbild: Julle
    Julle
  • 29. Okt. 2021
  • 7 Min. Lesezeit

GuMo aus der wohligen Wärme meiner Ärmeldecke,

da der letzte Urlaub ja nun schon einige Zeit in der Vergangenheit liegt und ich wieder, wie die Erwachsenen sagen ,urlaubsreif’ bin, dachte ich, ich begebe mich mal auf einen Städtetrip.

Und weil München etwas teuer ist, es auf der Zugstrecke nach Hamburg eine Gleissperrung gibt und Bielefeld ja eh nicht existiert, habe ich mir kurzer Hand ein Ticket nach Adult City gekauft.

Nur zur Einordnung: Adult City ist selbst ein Stadtstaat und um ein Visum zur Einreise zu bekommen, muss man das Wort ,WG-gesucht' zehnmal schnell hintereinander sagen können.

Ist nett hier, alles dreht sich bisschen viel um Monsteras und One-Pot-Gerichte, aber das ist schon okay.

Hier ein Tupperdose-Nudel-Klotz, um die kulinarische Vielfalt zu unterstreichen:


Aber mal kurz Spaß bei Seite für ein bisschen Kontext:

Es ist jetzt einige Tage her, dass Rosa und ich Jahrestag unseres gemeinsamen Einzugs in unsere erste ,eigene' Wohnung feiern durften und ich bin ehrlich voller Stolz, wenn ich zu Beginn davon berichte, gerade den Wäscheständer im Bad mit nassen Socken bestückt zu haben.

Lasst mich kurz erläutern:

Angesichts dessen, dass ich im Frühjahr, eine nur schwer zu schließende Reistasche über die Schulter geworfen, zum Mikroskopieren getrottet bin, um den Waschsalon auf dem Weg noch abzuklappern, ist dagegen die Anschaffung einer waschechten Waschmaschine vergleichbar mit dem Sieg über Napoleon (und auch ähnlich viel Water involviert).

In Adult City ist es eben Gang und Gebe sich über solche Ereignisse zu freuen.


Eine weitere Sache mit dieser Waschmaschine ist die, dass ich die E-Mail bezüglich des Lieferdatums gekonnt übersehen habe und darüber hinaus die Telefonnummer meiner Mama (warum??) bei den Leuten im Portal angegeben habe und folglich weder zu Hause noch zu erreichen war, als das Gerät, das endlich der halbfeuchten Wäsche in der Bahn ein Ende bereiten sollte, vor der Tür stand.

Ich war also gerade auf der Arbeit, Rosa hatte an dem Vormittag eine Prüfung, musste trotzdem noch in windeseile die Abstellkammer ausräumen, falls das Gerät hochgebracht würde, dass allerdings zurückgeschickt wurde...

Kurzum, wir waren an diesem Freitag einer Waschmaschine näher denn je (vielleicht drei Meter Luftlinie) und doch so fern.

Alle wurden in Aufruhr versetzt, meine Eltern waren sehr sauer auf mich und ich trug gerade meine letzte gute Unterhose. Na ihr seht schon, die komplette Dröhung eben.


Aber ich habe im Titel eine Postkarte versprochen:

wie geht es Dir? Mir geht’s ganz gut. Wir sind heil in Adult City angekommen, auch wenn die Fahrt hierher so turbulent war, dass ich manchmal glaubte kotzen zu müssen (überwiegend von Pfeffi... ih).

Die meiste Zeit scheint die Sonne, gestern Nachmittag hat es einmal geregnet, und natürlich besitze ich immer noch keinen Regenschirm.

Hier gibt es viel zu machen wie zu versuchen Spam Mails von Mahnungen zu unterscheiden, den eigenen Nachnamen häufiger zu hören, als einem lieb wäre, die eigene Adresse bei Bestellungen falsch zu schreiben und zu bangen, dass das Paket trotzdem kommt, Leuten in die Augen zu gucken und dabei zu hoffen, dass sie einem den Kater nicht ansehen oder merken, dass man so banale Dinge wie Streichhölzer, Taschentücher, Korkenzieher oder, Gott bewahre, Kuchenformen tatsächlich aktiv kaufen muss und sie nicht einfach willkürlich im Flur auftauchen.

Wählen gehen kann man hier, das ist ziemlich großartig und der Moment als ich zum ersten Mal meine neue Postleitzahl ohne zu überlegen auswendig wusste, war ein schöner.

Die Zimtschnecken von Ikea sind sehr lecker, aber ich hab in aller Ehrlichkeit jetzt auch mal genug von schwedischen Möbelhäusern.


Apropos Möbel: Es befinden sich nun (und dieses Highlight wird schwer zu übertrumpfen sein) nach einem geraumen Jahr hier nicht weniger als drei physische, funktionierende und, wenn ich das sagen darf, beträchtliche Schubladen in meinem Zimmer, in denen alles Platz finden darf, was sich vorher auf Plexiglashockern in einer Zimmerecke gesammelt hat. (Wenn wir uns gut kennen, dann habe ich Dir davon vermutlich schon vorgeschwärmt, entschuldige bitte.)


Und auch sonst hat sich in diesem Jahr vor allem in Sachen Stauraum zumindest theoretisch viel getan, wie am Beispiel jener Regalbretter (von Ikea obvi) ersichtlich wird, die eigentlich in eine Schiene eingeschraubt werden müssten, die wir aber einfach so an die Wand gehängt haben.

Wie das hält? Hm, naja so mittel. Was da draufsteht? Aktuell ein Apfel und damit wäre der kritische Winkel für’s Abrutschen schon erreicht.

Was gibt es sonst noch von meinem Adult-City Trip zu erzählen?

Letzte Woche ist mir zum ersten Mal auf dem kleinen Werbe-Fernseher in der Ecke der Mensa die verzogene Miene einer wohl sehr verzweifelten Studierenden aufgefallen neben die der Schriftzug „How to survive German bureaucracy“ platziert wurde. Daran wofür genau geworben wurde kann ich mich gar nicht erinnern, aber es wird wohl irgendeine Dienstleistung sein, die helfen soll die zahllosen Schlachten im Papierkrieg des Alltags unbeschadet zu überstehen (gewinnen kann hier niemand).


Mit Blick auf den ungeöffneten Brief von meiner Krankenkasse auf dem Schreibtisch, von dem ich innig hoffe, dass es nur eine Broschüre ist, die ihren Weg in den Müll und nicht auf meine To-Do-Liste findet, kann ich die verkrampften Hände und den Drang zu schreien gut verstehen.

Auch ich hatte da so meine Glanzmomente, wie zu Beispiel, als ich fest entschlossen das Beschaffen eines Führungszeugnisses nicht länger aufzuschieben auf Führungszeugnis.org (so ein kranker Scam alter) gegangen bin, mir, so dachte ich, eines für das entsprechende Geld angefordert habe und mich peinlich wenig darüber gewundert habe, kaum Daten angeben zu müssen.

Erst als mich meine Bank eine Woche später angerufen hat, warum ich 13€ in die Niederlande überweisen wolle und dieser Papierfetzen nicht kam, bin ich nochmal auf die Bestätigungsmail gegegangen und dann ist mir gedämmert, dass ich, in der Tat, für 13€ eine Step-by-Step-Anleitung als Pdf-Datei erworben habe, die mir sagt wie ich im Folgenden ein Führungszeugnis online anzufordern habe. Success!

Und ja, ich bin da voll selbst dran schuld, aber trotzdem hab ich den ,Wegweiser' hier mal reingepackt, falls es euch interessiert und hauptsächlich aus Trotz :) all smiles


Ich bin mir sicher, dass Adult City auch heftige Rutschenparks hat, morgen allerdings mache ich erstmal einen Ausflug zur Zentrale der Leipziger Verkehrsbetriebe und das wird so ein richtiger Adrenalin Kick, weil ich seit August die gleiche, schon längst bezahlte Rechnung bekomme und die Telefon-Leute mich an die E-Mail-Leute, die mich wiederum an die Leute in der Zentrale weitergeleitet haben.

Update: Ich wurde wieder an die E-Mail Leute verwiesen.

(Zweites Update: Habe eine weitere Telefonnummer zum anrufen bekommen.)

Drückt mir die Daumen.


Generell habe ich mich in die öffentlichen Verkehrsmittel von Adult City Hals über Kopf verliebt. Wie soll ich sagen, selten pünktlich, oft frustrierend, aber der Sprint zu Bahn ist eigentlich meine einzige Gelegenheit mal Sport zu machen, deswegen sollte ich mich nicht beschweren, aber ist einfach viel zu oft die Deutsche Bahn daran beteiligt, wenn man jetzt Freunde besuchen möchte und der Druck auch sehr hoch dann nichts zu vergessen, weil dann entweder auch noch die Deutsche Post ins Spiel kommt, oder du bis zum nächsten Blutmond warten musst bis du dein Ladekabel wieder siehst.

Alternativ gibt es da zum Glück noch BlaBlaCar, denn ich weiß nicht wie Annabell und ich sonst bezahlbar nach Hause gekommen wären und auch nicht wie bedrückend der Rest meiner Tage gewesne wäre, wenn ich nicht wüsste, dass es Menschen auf dieser Welt gibt, die dringend einen Pappeifelturm von Potsdam nach Leipzig karren wollen.

Ansonsten ist mein Urlaub richtig cool! Vor zwei Tagen habe ich zur Orientierung mal eine Hop-on-Hop-of Bustour durch Adult City gemacht, um die Stadt besser kennen zu lernen und im folgenden habe ich meine Top 10 Landmarken, als kleine Reiseanregung mal zusammengefasst:


1. Die Soßenflecken an der Küchenzeile, die oft gar nicht auffallen, weil du sie eh schon aus Versehen mit deiner Hose weggewischt hast, als du, zu klein für die Hängeschränke, mit spitzen Fingern nach einem Glas geangelt hast.


2. Mein Fahrradlicht, dass ich schon seit Ewigkeiten reparieren lassen wollte (und muss) und von demich weiß, dass sich nichts tun wird, wenn ich es nicht *selbst* irgendwo hinbringe.


3. Die Baustelle neben unserem Haus, die in Sachen Schmutz und Lärm Jurassic Park um nichts nach steht.


4. Unser Balkon, auf dem man eben dieses Baustaubs wegen nur sporadisch sitzen kann.


5. Obi, wo wir vergebens versucht haben den Gutschein von der Hausverwaltung als Entschädigung für denselben Baustaub auszugeben und letzten Endes ausgelaugt, vom Baumarkt auseinandergenommen und lediglich mit Eis am Stiel in der Hand rausgelaufen sind.


6. Der oben erwähnte Wäscheständer, der so im Bad steht, dass mit mit größter Vorsicht und im Krabbengang daran vorbei zwängen muss, um die Socken nicht wieder runter zu werfen.

7. Die zerknitterte Hose, die ich seit Sommer 2020 nicht mehr getragen habe, weil ich kein Bügeleisen habe und auch nicht plane mir eines zu beschaffen. Unnötig?


8. Der Glasmüll, der zusehends eine Autobahn aus Pestogläsern und Bierflaschen, von denen unliebsamer Weise das Pfandetikett abgezogen wurde, von der Balkontür zum Kühlschrank zieht.

Nächsten Monat fangen wir an an einem Fahrradweg zu arbeiten.


9. Die Fotos in der Galerie auf meinem Handy von Verletzungen/ Gaumenmandeln/ Rötungen im Auge, die ich meiner Mama geschickt habe, damit sie mir sagt, was ich jetzt machen soll (ja, ich studiere Medizin und ja, Mama weiß es trotzdem besser).


10. Das eine Einmachglas in der Ecke des Kühlschranks mit Gurkenwasser, in dem eine einzige, seit Januar unberührte Gewürzgurke schwimmt. Sie ist unser absolutes Goldstück und sozusagen das Empire State Building von Adult City


Weil das jetzt ziemlich viel Information war hier mal eine Karte zum Ausdrucken, kommt doch mal vorbei und lauft den Weg selbst ab:

Ich muss sagen, ich bin emotional keineswegs dazu bereit mich um *Sachen* selbst zu kümmern:

Als ich wegen Knieschmerzen zur neuen Hausartpraxis gestiefelt bin, nu rum wieder weggeschickt zu werden und einen neuen Termin ausmachen zu müssen, weil ich meine Krankenkassenkarte vergessen hatte, war ich vielleicht etwas genervt, aber

die Konfrontation bei der Praktikumsstelle anzurufen und zum Einen mitzuteilen, dass ich ihnen die falschen Termine gesagt hatte, an denen ich gerne frei hätte und zum Anderen, dass ich an einem ganz anderen Tag doch gerne noch meine Schicht tauschen wollte, weil da meine Kommode geliefert würde (die Geschicht mit der Waschmaschine sollte sich unter keinen Umständen wiederholen) hat mich beinahe zum weinen gebracht.


Da habt ihr auch den Grund, warum ich mich gerade in der Ärmeldecke versteckt habe und auch nicht plane da heute noch etwas dran zu ändern.


Aus Komfortabilitätsgründen ist mein Kopf an die Wand hinter meinem Bett gelehnt (wobei Bett durchaus eine Übertreibung ist, es handelt sich hierbei um ein Lattenrost, das nur durch Rosas Picknickdecke vom Parkett getrennt wird).

Ob ich die komplette Adult City Erfahrung mitnehme und mir hierdurch eine zuckersüße Nackensteifigkeit einfange, bleibt abzuwarten.


Wenn ihr mich nun entschuldigen würdet, ich muss kurz eine E-Mail in Notizen vorschreiben, da es sich zu gefährlich anfühlt, die Sätze direkt in Googlemail rein zu hauen und zu jedem Zeitpunkt befürchten zu müssen, dass meine Hand gleich was faxiges macht und so bei der Hälfte auf senden drückt.

Hat ein bisschen den Effekt wie das Handy für ein schönes Foto aus dem Fenster halten und zu überlegen, ob man es jetzt fallen lässt. Naja, ihr wisst.


Love goes out!


PS: Also die Schubladen stecken in einer Kommode drin und liegen nicht einfach auf dem Boden, falls das vor lauter Euphorie irgendwie zu kurz gekommen sein sollte.


PPS: Hab mal eben ein bisschen gebrainstrormt und wenn es keinen Rundfunkbeitrag zu zahlen gäbe würde ich mir für das Geld vielleicht mal Kabelfernsehen, Radio oder, wenn ich mich crazy fühle, ein Festnetztelefon holen. Was meint ihr?


PPPS: Rosa hat mich gerade gerfragt, ob sie ein 26 oder 28 Zoll Fahrrad braucht. Was soll das überhaupt bedeuten?


 
 
 

1 Comment


baickie
Oct 29, 2021

war da auch schon mal zu Besuch aber irgendwie finde ich nichtmehr raus 🤯

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